9/12/2018 Europa und der UrlaubWir möchten Sie über eine höchst aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Frage des automatischen Verfalls von Urlaub informieren. Nach einer Verfahrensdauer von etwa vier Jahren, ausgehend von einem Urteil des Arbeitsgerichts München vom 13.11.2014, hat der EuGH am 06.11.2018 unter dem gerichtlichen Az. C 684/16 zu der Frage Stellung genommen, ob und gegebenenfalls wann ein Arbeitnehmer von ihm erworbene Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub verliert, wenn er keinen Urlaub beantragt hat. Der Kläger war bei der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften beschäftigt. Etwa zwei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses bat die Gesellschaft den Kläger darum, seinen Resturlaub zu nehmen. Der Kläger wurde allerdings vom Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Urlaub zu einem von ihm festgelegten Termin in Anspruch zu nehmen. Der Kläger nahm daraufhin nur zwei Urlaubstage und beantragte die Zahlung einer Vergütung (Urlaubsabgeltung) für die nicht genommenen Urlaubstage, was der Arbeitgeber ablehnte. Dies war der Ausgangspunkt des Verfahrens.Nach Auffassung des EuGH lässt es das Unionsrecht nicht zu, dass ein Arbeitnehmer die ihm gemäß dem Unionsrecht zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub automatisch schon alleine deshalb verliert, weil er vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (oder im Übertragungszeitraum) keinen Urlaub beantragt.
Diese Ansprüche -so der EuGH- können aber verfallen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen, was dann allerdings der Arbeitgeber zu beweisen hat. Konkret vertritt der EuGH die Auffassung, dass Artikel 7 RL 2003/88/EG und Artikel 31 II GRCh einer nationalen Regelung wie § 7 III BUrlG entgegenstehen, nach der ein Arbeitnehmer, der keinen Urlaubsantrag gestellt hat, am Ende des Bezugszeitraums die ihm zustehenden Urlabstage und entsprechend seinen Anspruch auf finanzielle Vergütung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub verliert und zwar automatisch und ohne vorherige Prüfung, ob er vom Arbeitgeber z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen. Aus Artikel 31 II GRCh ergibt sich dann, dass das mit einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem früheren privaten Arbeitgeber befasste nationale Gericht möglicherweise entgegenstehende nationale Regelungen unangewendet zu lassen hat. Diese Entscheidung wird –wieder einmal- zu einer Überprüfung des deutschen Urlaubsrechts zwingen. Auch wenn die bisherige Auslegung und Praxis zum Urlaubsverfall am Jahresende nicht unverändert fortgeführt werden kann, hat der EuGH jedoch klargestellt, dass der Arbeitgeber keineswegs verpflichtet ist, den Arbeitnehmer zur Urlaubsnahme zu „zwingen“. Vielmehr muss er diesen nur im Sinne einer Obliegenheit klar und transparent darauf hinweisen, dass am Jahresende der Verfall seines Urlaubs droht und ihm tatsächlich die Möglichkeit geben, den Urlaub zu nehmen. Erfüllt der Arbeitgeber diese Voraussetzung, bleibt es wie bisher beim Verfall nach § 7 III BUrlG. Was im Endeffekt dann als klarer und transparenter Hinweis zu verstehen sein wird, ist im Moment höchstrichterlich noch nicht geklärt. Ausweislich des Urteils des EuGH ergibt sich jedoch, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer -erforderlichenfalls förmlich- auffordern muss, den Urlaub zu nehmen und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitrums verfallen wird. Es empfiehlt sich deshalb gegenwärtig jedenfalls dementsprechende Informationen an die Arbeitnehmerschaft nicht durch „Aushang am schwarzen Brett“ oder ähnliche allgemeine Mitteilungen zu verfassen. Um einigermaßen rechtssicher mit dieser Problematik umzugehen ist es aus unserer Sicht nach geboten, den einzelnen Arbeitnehmer (bspw. im Rahmen eines Serienschreibens) darauf hinzuweisen, dass sein Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums (im Normalfall nach bundesdeutschem Recht das Kalenderjahr, soweit kein Übertragungstatbestand vorliegt) verfällt, wenn er ihn nicht nimmt. Ebenso sollte der Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang dann auch dazu aufgefordert werden, den Urlaub tatsächlich rechtzeitig zu beantragen. Wann dies im Jahr spätestens zu geschehen hat, hängt allerdings vom Einzelfall ab. In der Hoffnung, Ihnen hiermit in der täglichen Praxis weitergeholfen zu haben verbleiben wir mit freundlichen Grüßen Dieter Schenk - Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Sozialrecht Kommentare sind geschlossen.
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